Was ist die Austempering-Wärmebehandlung?

Die Austempering-Wärmebehandlung, die traditionell für die Anwendung bei Stählen bekannt ist, wurde für die Gusseisenbehandlung entdeckt, wo sie wichtige Vorteile bring, insbesondere auf Gusseisen mit Kugelgraphit.

Sowohl für Stähle als auch für Gusseisen erfordert die Ausführung der Austempering-Wärmebehandlung die Vermeidung des Durchgangs durch die perlitische Nase in den CCT-Umwandlungskurven (Continuous Cooling Transformation).

Schematic CCT diagram for a cast iron illustrating the presence of IPR of Ferrite, Pearlite, Ausferrite, and Martensite in T-t space

Quelle: METAL CASTING, Reference Book for MY4130 – By Prof. Karl B. Rundman – Dept. of Materials Science and Engineering Michigan Tech. University

Um dies zu erreichen, müssen Bindeelemente hinzugefügt werden, die in der Lage sind, die CCT-Kurven mit zunehmender Dicke des Gussstücks immer weiter nach rechts zu verschieben (in der Tat hängt die Geschwindigkeit, mit der das Gussstück unter denselben Bedingungen abkühlt, die durch das Wärmebehandlungssystem auferlegt werden, von der Dicke ab).

Während der Flüssig-Fest-Umwandlung unterliegen die im Metall enthaltenen Elemente einer Siegerung (Scheilsches Gesetz), wodurch von Punkt zu Punkt eine unterschiedliche Konzentration von ihnen erhalten wird.

Die Konzentration der Elemente in jedem Punkt hat einen wesentlichen Einfluss auf die Umwandlungsgeschwindigkeit und bestimmt die mechanischen Eigenschaften, die strukturelle Stabilität und die Verarbeitbarkeit des Bauteils.

Bei Gusseisen mit Kugelgraphit richtet sich die Seigerungsfolge (d. h. die minimalen und maximalen Konzentrationen jedes Elements) nach dem Abstand zwischen zwei benachbarten Graphitknollen, was die korrekte Ausführung der Austempering-Wärmebehandlung bei Dicken ermöglicht, die größer sind als dies bei Stählen möglich ist, wodurch das Austempering bei Gussteilen vorteilhaft wird.

Welche sind die Phasen der Austempering-Wärmebehandlung?

Die Phasen der Austemperingbehandlung sind: Vorwärmen; vollständige Austenitisierung; (oder interkritische Austenitisierung); Härten im Salzbad; beibehalten einer konstanten Temperatur bis zum Abschluss der ausferritischen Reaktion.

  • Vorwärmen: Erhitzen des Materials auf etwa 500 °C mit dem Ziel, Feuchtigkeit zu entfernen, wodurch die für den Anstieg auf die Austenitisierungstemperatur erforderliche Zeit verringert wird.
  • Vollständige Austenitisierung: Halten auf einer Temperatur oberhalb des Eutektoids AC3 (im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm angegeben) mit vollständiger Umwandlung des Eisengefüges in Austenit.
  • Interkritische Austenitisierung: Aufrechterhaltung einer mittleren Temperatur zwischen dem Eutektoid AC1 und AC3 (im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm angegeben) mit teilweiser Umwandlung des Eisengefüges in Austenit im Gleichgewicht mit einer ferritischen Phase, die als voreutektoide Phase bezeichnet wird.
  • Härten im Salzbad: Absenken von der Austenitisierungstemperatur auf die Härtetemperatur mit ausreichender Geschwindigkeit, um die perlitische Umwandlung zu verhindern.

Die Aufrechterhaltung der Härtetemperatur, die höher ist als die der martensitischen Umwandlung MS, aus der englischen martensite start (in den Diagrammen mit den Bain-Kurven angegeben), ermöglicht die Entwicklung der ausferritischen Reaktion, die in der Umwandlung von Austenit in nadelförmiges Ferrit unter Freisetzung von Kohlenstoff (der Ferrit enthält eine vernachlässigbare Menge in seinem Gitter), die in das Gitter des nicht umgewandelten Austenits einwandert und es stabilisiert.

Diagramm 1: Grafische Darstellung des Austempering-Zyklus von Gusseisen mit Kugegraphit

Warum spricht man beim Austempering über istothermen Härten?

Bei der Austempering-Wärmebehandlung spricht man vom „isothermen Härten“.

Die ausferritische Umwandlung findet tatsächlich bei einer konstanten Temperatur statt.

Anders als bei anderen Arten von Behandlungen ist es in der Härtungsphase des Austemperings notwendig, konstante Temperaturen aufrechtzuerhalten, um die perlitische Umwandlung zu vermeiden.

Wie ändert sich die Struktur von Gusseisen mit Kugelgraphit von einer Phase zur anderen?

Während der Austempering-Wärmebehandlung ändert sich die Struktur des Gusseisens radikal.

Im Rohzustand des Gussstücks oder nach einer Ferritisierungs- oder Normalisierungswärmebehandlung besteht das Gefüge aus Ferrit und/oder Perlit.

Perlit ist eine starke Mischung aus Ferrit und Karbiden. Ferrit ist ein kubisch-raumzentriertes Gefüge mit Eisenatomen an den Ecken des kubischen Gitters und einem Kohlenstoffatom in der Mitte des Gitters.

Perlitisches Gefüge (100x)

Ferritisches Gefüge (100x)

Das ausferritische Gefüge, das nach der Austempering-Wärmebehandlung erhalten wird, besteht aus einer kubisch-raumzentrierten ferritischen Phase (viel feiner als die zuvor beschriebene) zusammen mit einer austenitischen, kubisch-flächenzentrierten Phase (die Kohlenstoffatome sind in der Mitte der Flächen des kubischen Gitters angeordnet).

Das flächenzentrierte Gefüge von Austenit (stabilisiert durch Kohlenstoff) verleiht dem Material günstige Eigenschaften in Bezug auf Duktilität, Zähigkeit und Verhalten bei niedrigen Temperaturen.

Ausferritisches Gefüge – ADI1050 (x500)

Der in der Austenitisierungsphase vorliegende Austenit (Gamma-Eisen) stellt im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm ein Gleichgewichtsgefüge dar und ist durch den der Sättigungskurve entsprechenden Kohlenstoffgehalt gekennzeichnet (Beispielwert 0,8 Gew.-% in der Abbildung).

Ausferritisches Gefüge – ADI1050 (x500)

Quelle: METAL CASTING, Reference Book for MY4130 – By Prof. Karl B. Rundman – Dept. of Materials Science and Engineering Michigan Tech. University

Wenn dieses Gefüge lange Zeit bei einer Temperatur knapp unter der der eutektoiden Umwandlung (AC1) gehalten wird, erhält man ein praktisch kohlenstofffreies ferritisches Gefüge, begleitet von dem Auftreten eines graphitischen Randes um die Graphitknollen.

Tatsächlich hätte der Kohlenstoff bei dieser -hohen- Temperatur (unterkritisches Glühen) eine ausreichende Mobilität und Zeit, um von seiner Stelle zum Graphitknollen zu wandern.

Da die Austempering-Temperatur zu niedrig ist, um dem Kohlenstoff diese Mobilität zu ermöglichen, findet die Umwandlung „vor Ort“ statt. Auf diese Weise flüchtet sich der vom in Ferrit umgewandelten Austenit abgestoßene Kohlenstoff in ein unmittelbar angrenzendes austenitisches Gitter und trägt so allmählich zu seiner Stabilisierung bei und verhindert seine Umwandlung.

Die maximale Kohlenstoffmenge, die im nicht umgewandelten Austenit enthalten sein kann, ergibt sich aus der metastabilen Sättigungskurve (exemplarischer Wert 2,0 Gew.-% in der Abbildung).

Daher besteht der Unterschied zwischen primärem Austenit und dem nach der Austempering-Reaktion im unterschiedlichen Kohlenstoffgehalt und in der unterschiedlichen Seigerung, wobei die Gemeinsamkeit des flächenzentrierten Gefüges erhalten bleibt.

Anwendung der Austempering-Wärmebehandlung auf Materialien im Gusszustand

Die Austempering-Wärmebehandlung wird üblicherweise bei Gusseisen mit Kugegraphit und seltener bei Grauguss und Stählen angewendet.

Welche Eigenschaften sollte Gusseisen mit Kugelgraphit im Gusszustand haben?

Gusseisen mit Kugelgraphit im Gusszustand (d. h. nicht wärmebehandelt) darf keine Primärkarbide enthalten, die die Funktion des Gussstücks beeinträchtigen, sie müssen sich im Verhältnis zur Dicke des Gussstücks durch eine ausreichende Knotigkeit auszeichnen und müssen mit ausreichend Bindemitteln versetzt sein, um die perlitische Umwandlung während des schnellen Abkühlens vor dem Härten zu vermeiden.

Welche Eigenschaften sollte Grauguss im Gusszustand haben?

Grauguss im Gusszustand darf keine Primärkarbide enthalten, um zu vermeiden dass die Funktionalität des Gussstück beeintrachtigt wird, muss sich durch eine gute Form und Verteilung der Lamellen im Verhältnis zur Gussstückdicke auszeichnen und muss mit ausreichend Bindemitteln versetzt sein, um eine perlitische Umwandlung während des schnellen Abkühlens vor dem Härten zu vermeiden.

Welche Eigenschaften sollten Stähle im Gusszustand haben?

Auch Stähle müssen mit ausreichend Bindemitteln versetzt werden, um eine perlitische Umwandlung während des schnellen Abkühlens vor dem Härten zu vermeiden.

Wie bei Gusseisen kommt es auch bei Stählen zu einer Siegerung der als Bindemittel zugesetzten Elemente in der Verfestigungsphase (die Konzentration des Elements ist nicht gleichmäßig).

Während sich bei Gusseisen die Inhomogenität der Konzentrationen im Abstand zwischen zwei benachbarten Graphitknollen und / oder Lamellen wiederholt, ist bei Stählen der Abstand, der zwischen den sekundären Armen der Dendrite vorliegt, der den Prozess leitet, wie dies bei Aluminiumlegierungen der Fall ist (SDAS, Secondary Dendrite Arm Spacing).

Dieses Merkmal begrenzt die Dicke der Stahlkomponenten, bei denen Austempering angewendet werden kann, und orientiert Anwendungen mehr auf Komponenten, die aus rohen Stahlmaterialien als aus Gusseisenteilen erhalten werden.

Ursprünge und kurze Geschichte der Austempering-Wärmebehandlung

Die Austempering-Wärmebehandlung von Stählen mit der vollständigen Umwandlung von Austenit in niedriges Bainit war bereits in den frühen 1970er Jahren eine bekannte Behandlung, als die Gießerei Kimme Kimmene in Karkkila (Finnland) mit bahnbrechenden Experimenten zur Herstellung großer Zahnräder aus Gussteilen aus zwischenvergütetm Gusseisen mit Kugelgraphit begann. Ende der 70er Jahre patentierte Dr. Horst Mühlberger ein Verfahren zur Herstellung von ausferritischem Gusseisen (ADI), das mechanisch bearbeitbar war.

Diese Eigenschaft war mit dem ersten Prozess bis zum damaligen Zeitpunkt nicht verfügbar. 1982 unterzeichnete die Zanardi Fonderie einen Lizenzvertrag mit Dr. Mühlberger und startete ihre Tätigkeit im Bereich ausferritischer Gusseisen.

Im selben Jahr begann Applied Process in den USA mit der Austempering-Wärmebehandlung von Gusseisen mit Kugelgraphit und Stählen.

Einfluss von Zeit und Temperatur beim Austempering

Zu den „Schlüssel“-Variablen der Austempering-Wärmebehandlung zählen Zeit und Temperatur, die den Prozess beeinflussen.

Die dominierende Schlüsselvariable ist der Mangangehalt, der die drei verschiedenen Ausgangstechnologien charakterisiert (Kimme Kimmene, Mühlberger, Applied Process).

Die Austempering-Temperatur wird entsprechend der gewünschten Härte nach der Wärmebehandlung gewählt. Für eine gegebene Austempering-Temperatur und eine gegebene chemische Zusammensetzung gibt es eine optimale Austenitisierungstemperatur.

Höhere Temperaturen als die optimale ermöglichen eine Einsparung von Bindemitteln, die zur Vermeidung der perlitischen Umwandlung erforderlich sind, verringern jedoch die Möglichkeit, in angemessener Zeit stabilen Austenit zu erhalten, was die Bearbeitbarkeit und die mechanischen Eigenschaften beeinträchtigt.

Die Austempering-Zeit muss ausreichend sein, um den umgewandelten Austenit stabil zu machen. Die Austenitisierungszeit muss hingegen für die Kohlenstoffsättigung des Primäraustenits ausreichend sein.

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